Hessisches Ministerium für Digitalisierung und Innovation

Regulierung mit Augenmaß ist gefragt

Wiesbaden. „Wir müssen einen Rechtsrahmen schaffen, um verantwortungsvoll mit Künstlicher Intelligenz umzugehen“, sagte die Hessische Digitalministerin Prof. Dr. Kristina Sinemus am Dienstag zum Auftakt der Digital Leaders Roundtable-Reihe, die diesmal unter der Überschrift „AI FOR TOMORROW“ stand und zu der die Hessische Landesvertretung in Brüssel im Rahmen einer virtuellen Veranstaltung geladen hatte.

Die Europäische Kommission hatte bereits im April 2021 einen Vorschlag für eine Verordnung vorgelegt, mit der Europa weltweit Standards für Künstliche Intelligenz setzen will. Damit soll ein europäischer Rechtsrahmen für die Entwicklung, Markteinführung und die Verwendung von KI-Systemen in der Union geschaffen werden. Die geplante KI-Regulierung soll die Grundrechte schützen und den Menschen in den Mittelpunkt stellen. Europa soll so zum globalen Zentrum für vertrauenswürdige KI werden. Dies soll durch einen sektorübergreifenden Ansatz innerhalb der Verordnung erfolgen. Nun berät der Rat über den Vorschlag, das Europäische Parlament wird seine Beratungen in Kürze aufnehmen. Gelingt der Vorstoß, wird sich die EU das weltweit erste „Grundgesetz“ für KI verordnen mit dem Ziel, dass bei der Entwicklung und Anwendung dieser Technologie die Grundrechte und europäischen Werte gewahrt werden. In dem Gesetzgebungsprozess stellen sich komplexe Fragen, die am Tisch diskutiert wurden, darunter die, wie KI reguliert werden kann, ohne Innovationen im Keim zu ersticken.

Potentiale und Chancen im Blick haben

Lucia Puttrich, Hessische Ministerin für Bundes- und Europaangelegenheiten und Bevollmächtigte des Landes Hessen beim Bund sagte: „Es ist unsere Aufgabe, die Rahmenbedingungen für Künstliche Intelligenz zu setzen. Dabei müssen wir sicherstellen, dass ausreichend Raum für Innovation erhalten bleibt. Die Sorge vor den möglichen Folgen sollte den Umgang mit dieser neuen Technologie nicht dominieren. Es kommt auf die richtige Balance an. Es geht darum, die Potentiale der Künstlichen Intelligenz zu heben – und gleichzeitig die Gefahren im Blick zu haben.“

Im Zentrum der Gespräche stand die einmütige Feststellung, dass sich KI nicht automatisch an europäischen Werten orientiert. „Wir müssen der Technologie eine Richtung vorgeben, damit sie den größten Nutzen für Menschen, Gesellschaft, Wirtschaft und Forschung bringt“, so Hessens Digitalministerin Sinemus und wies darauf hin: „Wir brauchen in Europa ein klares Regelwerk, das verantwortungsvolle KI-Nutzung und Innovation, Grundrechte und wirtschaftliche Dynamik vereint. Nur durch eine Regulierung mit Augenmaß können wir die enormen Chancen der KI heben und zugleich ihre Risiken minimieren. „Mit hessian.ai, ZEVEDI und unserem AI Quality and Testing Hub haben wir in Hessen bereits ein breites Fundament gelegt, um die Entwicklung von KI-Anwendungen nach europäischen Werten auszurichten und zu gestalten. Hier werden KI-Systeme auf den Prüfstand gestellt. Darüber hinaus habe der Hessische Rat für Digitalethik im Frühjahr ein Thesenpapier „Vertrauen in KI“ veröffentlicht. „Wenn wir in Europa diesen Leitlinien folgen, können wir Vorreiter in der Entwicklung verantwortungsvoller KI werden“.

Axel Voss, Europaabgeordneter, Berichterstatter im KI-Sonderausschuss des Europäischen Parlaments, sagte: „Künstliche Intelligenz als Schlüsseltechnologie ist das Herzstück der derzeitigen digitalen Revolution. Wer weltweit führend sein will, muss auch bei der Künstlichen Intelligenz führend und vor allem wettbewerbsfähig sein. Bisher mangelt es der EU an Marktmacht, Investitionen und Forschungskapazitäten, sie hinkt den USA und China hinterher. Wenn wir den Anschluss nicht komplett verlieren wollen, muss Europa jetzt einen auf den Menschen ausgerichteten Ansatz für KI fördern, der auf unseren ethischen und demokratischen europäischen Grundwerten basiert“.

Überregulierung vermeiden

Irina Orssich, Head of Sector AI Policy, Generaldirektion Connect, Europäische Kommission: „Im April hat die Kommission neue Vorschriften und Maßnahmen vorgeschlagen, die Europa zum globalen Zentrum für vertrauenswürdige Künstliche Intelligenz machen sollen. Wir wollen Regeln, die zukunftssicher und innovationsfreundlich sind und nur dort eingreifen, wo dies unbedingt notwendig ist, nämlich wenn die Sicherheit und die Grundrechte der EU-Bürger auf dem Spiel stehen“.

Dr. Thomas Koenen, Leiter der Abteilung Digitalisierung und Innovation des Bundesverbandes der Deutschen Industrie e.V.: „Künstliche Intelligenz zählt zu den Schlüsseltechnologien in der Industrie. Unbürokratische und innovationsfreundliche Rahmenbedingungen für den Einsatz von KI sind daher eine zentrale Voraussetzung, um die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie in Europa langfristig zu sichern. Bei den laufenden Verhandlungen über eine europäische KI-Verordnung kommt es darauf an, eine Überregulierung industrieller Anwendungsbereiche von KI zu vermeiden.“

Prof. Mira Mezini Professorin für Informatik an der Technischen Universität Darmstadt, Leiterin der Software Technology Group am Fachbereich Informatik, Co-Sprecherin von hessian.AI: „Disruptive KI-Innovationen, welche besondere wirtschaftliche und gesellschaftliche Wirkungen erzielen, entstehen oftmals aus der Grundlagenforschung. Hessen steht heute schon für KI-Spitzenforschung, die einen Beitrag zur Lösung wichtiger Herausforderungen leistet und hat beste Voraussetzungen, sich sichtbar auf der internationalen KI-Landkarte einer auf den Menschen ausgerichteten, nachhaltigen und vertrauenswürdigen KI zu positionieren. Ein europäischer Rechtsrahmen muss dazu beitragen, dass die immensen Potenziale von KI ausgeschöpft werden können und Innovationen zum Nutzen von Wirtschaft und Gesellschaft in die Anwendung überführt werden.“

Prof. Kristian Kersting, Professor am Fachbereich Informatik der Technischen Universität Darmstadt, Leiter des Labors für Künstliche Intelligenz und Maschinelles Lernen (AIML), Co-Sprecher von hessian.AI: „Deutschland und Europa sollten gemeinsam die fundamentalen Gesetze von intelligentem Verhalten suchen und die Ergebnisse öffentlich teilen. Vorbild könnte das CERN in Genf sein - eines der größten und renommiertesten Zentren für physikalische Grundlagenforschung der Welt. Wir brauchen eine aufgeklärte KI!“

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