Bescheidübergabe Distr@l AngioDiagnostics

Hessisches Ministerium für Digitalisierung und Innovation

Entwicklung eines Diagnosegeräts für Herz-Kreislauferkrankungen gefördert

Herz-Kreislauf-Krankheiten wie Herzinfarkte und Schlaganfälle sind für die meisten Sterbefälle in der westlichen Welt verantwortlich. Allein in Deutschland sterben daran knapp 350.000 Menschen pro Jahr. Krankhafte Verengungen und Aussackungen der Blutgefäße sind häufig die Auslöser.

Bisher können diese Erkrankungen nur mit teuren Untersuchungen und von erfahrenen Spezialisten diagnostiziert werden, so dass sie nur in akuten Verdachtsfällen durchgeführt werden. Der Fachbereich Life Science Engineering an der Technischen Hochschule Mittelhessen will nun mit dem Projekt „AngioDiagnostics – Früherkennung von Risikofaktoren des Herz-Kreislaufsystems mittels homomorph verschlüsselter Machine learning-Algorithmen“ ein Diagnosegerät entwickeln, das einfach, kostengünstig und nicht-invasiv ein Screening ermöglicht – und dies sogar beim Hausarzt. Gleichzeitig sollen die Daten durch ein innovatives Verschlüsselungsverfahren gesichert werden. Das Hessische Digitalministerium fördert das Projekt mit 710.750 Euro aus seinem Programm Distr@l. Digitalministerin Prof. Dr. Kristina Sinemus hat den Förderbescheid heute an das Team um Prof. Dr. Stefan Bernhard überreicht und sich über das Projekt informiert.

„Das Projekt zeigt, dass technologische Innovation ganz konkret Leben retten kann – und dies ohne Kompromisse beim Datenschutz. Diese Verbindung von medizinischem Fortschritt und Datensicherheit setzt Maßstäbe für die Zukunft einer modernen, patientenzentrierten Gesundheitsversorgung. Zugleich steht das Projekt für den Transfer von Forschung in die Praxis: Ein innovatives Diagnosesystem, das KI und Datenschutz auf beispielhafte Weise vereint. Solche Projekte sind entscheidend, um Hessen als Standort für sichere und verantwortungsvolle Medizintechnologie weiter auszubauen. Das dies nach Abschluss des Projekts in einer Ausgründung aus der Hochschule (spin-off) realisiert werden soll, stärkt Hessens Start-up-Ökosystem weiter“, sagte Digitalministerin Sinemus.

Gefährliche Aussackungen der Gefäßwand, sogenannte Aneurysmen, bleiben meist lange unbemerkt, da sie oft keine Symptome verursachen und nur zufällig entdeckt werden. Bestehende Diagnosemethoden wie Dopplersonographie, CT oder MRT sind teuer, komplex und werden daher nur bei konkretem Verdacht eingesetzt. Das Team von „AngioDiagnostics“ entwickelt deshalb ein Diagnosegerät, das eine nicht-invasive, kostengünstige und datensichere Früherkennung von Aortenaneurysmen ermöglicht. Es soll Hausärzten künftig erlauben, ihre Patientinnen und Patienten regelmäßig zu screenen – und so lebensbedrohliche Gefäßveränderungen frühzeitig zu erkennen.

Die zugrundeliegende Technologie kombiniert Erkenntnisse aus Mathematik, Informatik, maschinellem Lernen und medizinischer Signalverarbeitung. Grundlage sind sogenannte Photoplethysmographie-Signale (PPG), die mithilfe intelligenter Algorithmen ausgewertet werden. Das geförderte Projekt fokussiert sich auf die Weiterentwicklung der Algorithmen und die Umsetzung in ein funktionsfähiges Medizinprodukt. Darüber hinaus soll die entwickelte Datensicherheitsarchitektur als Modell für weitere medizinische Anwendungen dienen.

Wegbereiter für datenschutzkonforme KI-Lösungen in Gesundheitsversorgung

Ein zentraler Schwerpunkt des Projekts liegt auf der Sicherheit sensibler Patientendaten. Das Team setzt hierbei auf homomorphe Verschlüsselung, eine der derzeit vielversprechendsten Technologien, um Datenschutz und Datennutzung zu vereinen. Diese Verschlüsselungsmethode erlaubt es, Berechnungen direkt auf verschlüsselten Daten durchzuführen, ohne dass diese zuvor entschlüsselt werden müssen. Damit können medizinische Daten sicher verarbeitet und ausgewertet werden, ohne dass Dritte Einblick in die Originaldaten erhalten. Somit können hochsensible Patientendaten, etwa Genom- oder Diagnosedaten, sicher in der Cloud gespeichert und verarbeitet werden und medizinische Einrichtungen können Daten sicher austauschen und gemeinsam analysieren, ohne die Vertraulichkeit zu gefährden. Zudem können KI-Algorithmen auf verschlüsselten Daten trainiert und angewendet werden, um Krankheitsmuster zu erkennen – ohne dass jemand die zugrunde liegenden Daten einsehen muss. Im Bereich der Medizinprodukte ist der praktische Einsatz homomorpher Verschlüsselung bislang noch selten, da technische und regulatorische Hürden bestehen. Mit „AngioDiagnostics“ wird sie nun erstmals in einem konkreten medizinischen Anwendungsszenario getestet – als Wegbereiter für datenschutzkonforme KI-Lösungen in der Gesundheitsversorgung.

„Jede Forschung beginnt mit dem Gedanken, Menschen helfen zu wollen. Gerissene Aneurysmen können unmittelbar lebensbedrohlich sein, häufig bleiben lebenslange Behinderungen zurück. Eine niedrigschwellige Diagnostik kann viel Leid ersparen - und sicherlich auch Kosten im Gesundheitssystem senken“, sagte Projektleiter Prof. Dr. Stefan Bernhard, Professor für Medizintechnik und Numerische Mathematik am Fachbereich Life Science Engineering der THM. Dass aus einer Forschungsidee eine marktreife Technologie entstehen kann, hänge neben langem Durchhaltevermögen vor allem an geeigneten Partnern und einem guten Team. „Schließlich muss die Idee auch die Realitätsprüfung bestehen“, blickte Prof. Bernhard auf die nächsten Schritte auf dem Weg zu einem zuverlässigen und sicheren Produkt für den alltäglichen Einsatz in Hausarztpraxen.

Hintergrund

Mit Stand Mitte Oktober 2025 sind bereits 164 Projekte mit einem Fördervolumen von rund 53 Millionen Euro bewilligt worden. Hinzu kommen rund 29 Millionen Euro Kofinanzierung aus der Wirtschaft, sowie rund 4,5 Millionen Euro aus dem EFRE Programm 21+. Ausführliche Informationen zum Projekt gibt es auf der Plattform LIDIAÖffnet sich in einem neuen Fenster.