Wiesbaden. Der Prozess der digitalen Transformation schreitet mit großer Geschwindigkeit voran. Noch sind manche seiner Folgen nicht vollends absehbar. Umso wichtiger ist es, diesen Prozess nicht sich selbst zu überlassen, sondern um der Stabilität von Demokratie willen politisch tätig zu werden und eine sachgemäße, kompetenzgeleitete öffentliche Debatte zu führen. Der Rat für Digitalethik der Hessischen Landesregierung hat daher Vorschläge erarbeitet und unter dem Titel „Herausforderungen der digitalen Transformation für die Stabilität von Demokratie“ zu Papier gebracht. Das Gremium bezieht Position und macht Handlungsvorschläge für die drei spezifischen Bereiche Informations- und Kommunikationsverhalten, Finanzsektor und Kryptowerte sowie IT-Sicherheit für Unternehmen, Kommunen und Behörden.
„Die digitale Transformation hat Auswirkungen auf unser demokratisches, auf Partizipation angelegtes Gemeinwesen. Den drei definierten Themenfeldern räumen wir bei der politischen Willensbildung und Rahmensetzung auf Ebene des Landes hohe Priorität ein. Wir sind uns bewusst, dass die angesprochenen Herausforderungen nicht allein in Hessen zu klären sind. Wir sind aber überzeugt, dass die Landespolitik politische Handlungsspielräume hat, die genutzt werden können und sollten“, sagte Digitalministerin Prof. Dr. Kristina Sinemus, als Vorsitzende des Rats für Digitalethik nach der Sitzung.
Ethische und rechtliche Standards gelten analog und digital
Das Informations- und Kommunikationsverhalten der Gesellschaft wird angesichts der vielfältigeren Informationszugänge und der anonymen, herabwürdigen und bedrohlichen Äußerungsmöglichkeiten deutlich verändert. Der Rat für Digitalethik spricht sich dafür aus, im Hinblick auf digitale Kommunikationsräume und plattformgebundene Öffentlichkeiten den demokratischen Meinungsaustausch aller und die Pressefreiheit garantierenden Artikel 5 des Grundgesetzes zu dulden: Ethische und (presse)rechtliche Standards müssen analog wie digital Grundlage der politischen Diskussionen sein. Unter anderem sollte der Teufelskreis zwischen Hasskommentaren und Anonymität aufgelöst werden. Das Internet ist kein rechtsfreier Raum. Der Rat merkt positiv an, dass die Hessische Landesregierung schon seit 2019 ein Aktionsprogramm „Hessen gegen Hetze“ habe. Aber es wird weiterhin angeregt, durch geeignete Maßnahmen eine offene und partizipative Diskussion über das Spannungsfeld zwischen Anonymität und Verantwortlichkeit bei der Internetkommunikation in Gang zu setzen. Als Kompromiss zwischen freier Meinungsäußerung und Schutz vor Hass schlägt das Gremium vor, Intermediären wie Plattformbetreiber durch Methoden der persönlichen Authentifizierung wie Videoident oder durch Mehr-Faktor-Authentifizierungen verifizierte Daten ihrer Kunden erheben zu lassen, die unter bestimmten Voraussetzungen zur Rechtsdurchsetzung an Geschädigte oder an Sicherheitsbehörden herausgeben werden müssen.
Beim Themenfeld Finanzsektor sieht der Rat für Digitalethik angesichts der deutlich abstrakter und unübersichtlicher gewordenen Welt des Geldes vor allem die Notwendigkeit von digitalen Finanzkompetenzen. Zudem werde ein digitaler Verbraucherschutz gebraucht, der sich verstärkt auf komplexe Finanzprodukte erstrecke. Weiterhin schlagen die Mitglieder vor, eine offene und partizipative Diskussion über den „Digitalen Euro“ zu initiieren, da über die mögliche Einführung eines digitalen Zentralbankgelds nicht das erforderliche Maß an Wissen vorhanden sei. Durch derartige partizipative Diskurse könne das Land Hessen Vorreiter bei der demokratischen Ausgestaltung einer künftigen digitalen Zentralbankwährung für Europa sein.
Effektive und verantwortungsvolle IT-Sicherheit notwendig
Die zunehmende Digitalisierung rückt die IT-Sicherheit verstärkt in den Fokus. „Ein vertrauenswürdiger Umgang mit der Digitalisierung im Alltag geht alle an. Wir stehen vor der Aufgabe, unsere Gesellschaft im Kontext der Komplexität und Geschwindigkeit der technologischen Entwicklungen verantwortungsvoll zu strukturieren und zukunftsfähig zu halten. Eine dementsprechend effektive und verantwortungsvolle IT-Sicherheit ist hierfür unabdingbar“, betont Ministerin Sinemus. Um Organisationen nicht alleine zu lassen oder zu überfordern, regt der Rat an, den politischen Diskurs zu verstärken. Zudem werden Schulungen für kleine und mittlere Unternehmen angeregt, um Know-how aufzubauen. Mittels Förderprogrammen könnten Investitionen in IT-Infrastrukturen honoriert werden.
Die Handlungsempfehlungen des Rats für Digitalethik finden Sie hierÖffnet sich in einem neuen Fenster.
Hintergrund
Der Rat für Digitalethik wurde im Herbst 2018 von der Hessischen Landesregierung gegründet, um ethische Aspekte der Digitalisierung im Interesse der Bürgerinnen und Bürger zu identifizieren und die Hessische Landesregierung bei der Umsetzung von Digitalisierungsprojekten zu beraten.