Hessisches Ministerium für Digitalisierung und Innovation

Staatssekretär übergibt Förderbescheid für digitale Nachsorge

Landkreis Gießen und Stadt Lich erhalten vom Digitalministerium rund 509.000 Euro zum Aufbau einer Plattform zur medizinischen Betreuung.

Angesichts der Prognose des Statistischen Bundesamts, dass die Zahl der Pflegebedürftigen in Deutschland bis 2055 um 37 Prozent zunehmen und schon 2035 etwa 5,6 Millionen erreichen wird, ist die Entwicklung eines innovativen Nachsorgekonzeptes von entscheidender Bedeutung. Der Landkreis Gießen will nun zusammen mit der Stadt Lich ein digitales System etablieren, um die Nachsorge nach einem Krankenhausaufenthalt unter Einbezug aller Akteure bestmöglich zu Hause oder im Pflegeheim zu ermöglichen. Das Hessische Ministerium für Digitalisierung und Innovation unterstützt das Projekt „Licher Modell – Digitale Nachsorge“ mit rund 509.000 Euro aus der Förderung smarter Kommunen und Regionen im Programm „Starke Heimat Hessen“. Staatssekretär Stefan Sauer hat heute den Bescheid an Landrätin Anita Schneider überreicht.

„Die Kombination einer digital gestützten Nachsorge, die aber zugleich auch menschlich überwacht ist, ist ein echter Gewinn und kann Modellcharakter für die Versorgung vor allem im ländlichen Raum haben. Denn damit kann das Risiko einer zeitnahen Wiedereinweisung nach der Klinikentlassung reduziert werden und es ist eine engmaschigere Betreuung möglich. Dank der flexibel anpassbaren Module auf der geplanten Plattform ist ein Transfer auf andere örtliche Gegebenheiten leicht möglich“, sagte der Staatssekretär.

Herausforderungen der Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum

Im ländlichen Raum stehen Landkreise wie Gießen vor spezifischen Herausforderungen in der Gesundheitsversorgung: Die Zahl der niedergelassenen Hausärzte nimmt in vielen Gebieten ab, während die Zahl der älteren, oft nicht mobilen Patienten steigt. Zudem führt die sektorenübergreifende Versorgung (zwischen Klinik, ambulanter Pflege, niedergelassenen Ärzten und Pflegeheimen) zu Kommunikationslücken und einer häufig ineffizienten Ressourcennutzung, die zu wiederholten Klinikaufenthalten und zusätzlichen Belastungen für die medizinische Infrastruktur führen. In Lich soll nun eine digitale Nachsorge für geriatrische beziehungsweise pflegebedürftige Menschen nach Entlassung aus dem Krankenhaus etabliert werden. Hierfür sollen sektorenübergreifend relevante medizinische und pflegerische Daten der Patienten durch alle an der Nachsorge beteiligte Akteure erfasst, ausgetauscht und überwacht werden. Explizit einbezogen werden die entlassende Klinik, betreuende Haus- und Fachärzte, die ambulante bzw. stationäre Pflege, Ehrenamtliche und Angehörige. „Die digitale Nachsorgeplattform ist eine zukunftsweisende Ergänzung des bestehenden Gesundheitsnetzwerks in Lich und bindet alle an der Versorgung älterer Menschen beteiligten Akteure sinnvoll ein“, hob der Ärztliche Direktor der Asklepios Klinik Lich, PD Dr. med. Thilo Schwandner, hervor.

Kernelement der Software soll eine automatisierte Patientenkategorisierung zum Gesundheitszustand sein, so dass die Patienten nach Versorgungsbedarf priorisiert werden. Auf dieser Basis wird ein individueller Nachsorgeplan erstellt. In der Plattform werden kontinuierlich relevante Gesundheitsparameter wie zum Beispiel Messungen zu Blutdruck oder Blutzucker erfasst, so dass alle beteiligten Akteure per Webseite oder App auf die gesammelten Pflege- und Nachsorgeinformationen zugreifen und jederzeit individuell anpassen können. Die gesamte Nachsorge wird zudem von einem virtuellen Care Team aus telemedizinisch tätigen Ärzten und Pflegekräften überwacht.

Digitales Nachsorgeprojekt wird in Modellregion umgesetzt

Für das Projekt stellt die Asklepios Klinik Lich mit Zustimmung der Patienten Gesundheitsdaten der Geriatrie zur Verfügung. Impulsgeber war der Landkreis Gießen. „Im Austausch mit Krankenhäusern und Praxen kamen in der Vergangenheit immer wieder die Herausforderungen der Nachsorge in den bestehenden analogen Strukturen zur Sprache“, berichtete Landrätin Anita Schneider. Zugleich verfolgt der Landkreis Gießen vielfältige Initiativen rund um digitale Technologien, denn er ist auch eine von 73 Modellkommunen bundesweit des Pilotprojekts Smart Cities. Über den Austausch mit der Denkfabrik „Brückenköpfe“ gelang es, die Möglichkeit einer digitalen Nachsorge gerade im ländlichen Raum als Pilotprojekt anzustoßen. „Im Gegensatz zu vielen anderen Landkreisen sind wir nicht selbst Krankenhausträger, konnten aber rasch die Asklepios Klinik Lich als Partner gewinnen“, sagte Schneider. Dank der Förderung des Landes kann der Landkreis Gießen die digitale Plattform für die gesamte ambulante Nachsorge nun beschaffen und die Vernetzung zwischen Krankenhaus, Pflegeheimen, Pflegediensten, Ärzten sowie Ehrenamtlichen technisch ermöglichen. 90 Prozent der Kosten werden über die Förderung gedeckt, die übrigen zehn Prozent trägt der Landkreis Gießen. Gemeinsam koordinieren der Landkreis Gießen und die Stadt Lich die Vernetzung zwischen Krankenhaus, Pflegeheimen, Pflegediensten, Ärzten sowie Ehrenamtlichen. Die Gemeindeschwestern Lich übernehmen die häusliche Versorgung und Kontrolle der Patienten nach der Entlassung aus der Klinik und ergänzen so die Betreuung durch Pflegeheime und ambulante Dienste. Auch die Haus- und Fachärzte erhalten Zugriff auf die Plattform, um den Gesundheitszustand zu überwachen und bei Bedarf zu intervenieren. Die wissenschaftliche Begleitung des Projekts erfolgt durch die Technische Hochschule Mittelhessen. 

Hintergrund

Um die Kommunen zu unterstützen, Austausch und Vernetzung zu ermöglichen, hat die Hessische Landesregierung im Frühjahr 2020 die Geschäftsstelle Smarte Regionen im Haus der Digitalministerin eingerichtet. Mit dem Programm „Starke Heimat Hessen“ werden die Kommunen bei wichtigen Zukunftsprojekten unterstützt. Über die Förderung smarter Kommunen und Regionen im Programm „Starke Heimat Hessen“ stellt das Land seit 2021 rund 16 Millionen Euro jährlich für kommunale Digitalisierungsvorhaben bereit. Bisher wurden beziehungsweise werden 125 Vorhaben mit einer Gesamtfördersumme von rund 92 Millionen Euro unterstützt. Seit 2025 ergänzt eine neue Förderlinie das Programm: Sie unterstützt die Nachnutzung erprobter, datenplattformbasierter Lösungen. Auch nicht direkt geförderte Kommunen profitieren über Formate des Wissenstransfers, etwa durch die Best-Practice-Datenbank oder Erfahrungskreise.