Gießen. Die häufigste Todesursache ist in Deutschland nach Angaben des Statistischen Bundesamts eine Herz-Kreislauf-Erkrankung, weit vor einer Krebserkrankung. Über den aktuellen Stand des Projekts RisKa (Risikostratifizierung in der Kardiologie mittels Künstlicher Intelligenz) informierte sich Hessens Digitalministerin Prof. Dr. Kristina Sinemus am Universitätsklinikum Gießen (UKGM). Das entwickelte System ermöglicht dank KI-Muster in den EKG-Aufnahmen eine frühzeitige Erkennung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und wird mit 740.000 Euro aus dem Programm Distr@l gefördert. „KI-Innovationen fördern und den Transfer von der Wissenschaft in die Wirtschaft erleichtern. Dafür haben wir gezielt unser Förderprogramm Distr@l auf den Weg gebracht und auch die Förderung von KI-Anwendungen als eines der fünf Handlungsfelder unserer KI-Zukunftsagenda definiert. ‚KI made in Hessen‘ soll ein Markenzeichen unseres Landes werden, das für Innovation, Verantwortung und Zukunft steht“, so Hessens Digitalministerin Prof. Dr. Kristina Sinemus.
RisKa kann EKG-Aufnahmen aus unterschiedlichsten Quellen einlesen und für die Anwendung der KI vorbereiten sowie um weitere Daten der Patientinnen und Patienten ergänzt werden. Das KI-System erkennt dabei komplexe Muster, wie sie bei Veränderungen – zum Beispiel Vernarbungen – im Herzmuskel auftreten. Damit können die Anwendung aufwändiger zusätzlicher Diagnostik auf notwendige Fälle reduziert werden und so knappe Ressourcen geschont sowie invasive Untersuchungen vermieden werden. Eine frühzeitige Erkennung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, eine personalisierte Entscheidungsfindung sowie patientenorientierte Untersuchungsplanung ist somit möglich. Das gemeinsam von THM, JLU und der Kardiologie des Campus Kerckhoff entwickelte System kann von niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten für die individualisierte Risikoerkennung in Screening-Verfahren zur frühzeitigen Erkennung und Diagnose von Herz-Kreislauf-Erkrankungen genutzt werden.
Frühzeitiges Erkennen von Herzerkrankungen möglich
THM, Prof. Dr. Michael Guckert, Projektleiter RisKa: „Ziel von RisKa ist die Entwicklung eines klinischen Systems zur Entscheidungsunterstützung, das automatisiert mit Hilfe der KI Muster in EKG-Daten präzise und kostengünstig erkennen und die gewonnene Information den Anwendenden zur Verfügung stellen kann. Mit der Fertigstellung der Benutzeroberfläche machen wir einen wichtigen Schritt hin zu einer breiten Anwendung in den Hausarztpraxen – im Sinne und zum Nutzen von Patientinnen und Patienten.“
JLU, Prof. Dr. Martin Kramer, Vizepräsident für Forschung und Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses: „Das Projekt RisKa zeigt in vorbildlicher Weise, wie eine gewinnbringende Zusammenarbeit zwischen der JLU und unseren Nachbarn an der THM aussehen kann. In Zeiten, in denen Patientinnen und Patienten oft monatelang auf Facharzt-Termine warten müssen, ist eine KI-basierte Lösung, die schon nach einem Hausarztbesuch Herzerkrankungen in einem frühen Stadium sicher erkennen kann, ein Segen. Die KI verbindet dabei die klinische Kompetenz der Kardiologie mit einer großen Menge an vorhandenen Daten, um zielgerecht schnellere und sichere Diagnosen stellen zu können.“
UKGM, Prof. Dr. med. Samuel Sossalla, Direktor Kardiologie: „Herzerkrankungen und in diesem Kontext Herzrhythmusstörungen stellen eine große Herausforderung gesundheitsökonomisch und in der Medizin dar. Zum Beispiel betrifft Vorflimmern als die wichtigste Herzrhythmusstörung zukünftig einen von drei Patienten und das Screening und die EKG-Analyse sind daher extrem elementar.“ Prof. Dr. med. Till Keller, Projektverantwortlicher RisKa an der JLU ergänzte: „Künstliche Intelligenz ermöglicht es uns, das EKG zu nutzen, um die Medizin zu personalisieren und zu individualisieren und somit Präzisionsmedizin zu ermöglichen.“
Vorstellung Positionspapier Gesundheitsdaten
Zur Bedeutung und den Potentialen von Gesundheitsdaten stellte die Digitalministerin das zusammen mit der Initiative Gesundheitsindustrie Hessen (IGH) entwickelte Positionspapier vor, in dem aktuelle Herausforderungen im Umgang mit und der Nutzung von Gesundheitsdaten thematisiert sowie entsprechende Lösungsvorschläge und Maßnahmen des Landes Hessen erläutert werden. Ziel des Gesundheitsdatenpapiers ist es, Potenziale von Gesundheitsdaten aufzuzeigen und einen Beitrag zur bundesweiten Diskussion zu leisten. „Gerade im Gesundheitsbereich bilden insbesondere Gesundheitsdaten ein besonderes Gut, da sie eine Diagnosestellung beschleunigen und zu einer besseren und schnelleren Versorgung einzelner Patientinnen und Patienten beitragen können. Zur breiten Nutzung sollen rechtssichere Zugangsmöglichkeiten für die private Forschung etabliert werden, dazu soll eine länderübergreifende gesetzliche Grundlage zur Forschung mit Gesundheitsdaten geschaffen werden“, hob Sinemus hervor. Eine der im Gesundheitsdatenpapier formulierten Forderungen adressiert einheitliche Datenstandards und Qualitätsanforderungen bezüglich der Verarbeitung, Speicherung und Nutzung von Gesundheitsdaten. Eine weitere Forderung ist die verpflichtende Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) sowie die Überführung dessen in ein Opt-Out-System. „Hessen ist einer der stärksten Standorte der Gesundheitsindustrie in Deutschland. Grundstein hierfür sind Forschung und Innovation. Das schließt auch innovative digitale Ansätze mit ein. In Hessen bestehen bereits zahlreiche innovative Projekte, Forschungsvorhaben und Bildungsangebote, die sich konkret mit dem Thema Gesundheitsdaten befassen“, so die stellvertretende Geschäftsführerin des VCI Hessen Sula Lockl. Unter anderem können die Angebote von hessian.AI, dem AI Quality & Testing Hub, dem Zentrum verantwortungsbewusste Digitalisierung (ZEVEDI) sowie dem Kompetenzzentrum für Telemedizin & E-Health (KTE Hessen) für Synergieeffekte im Bereich der Gesundheitsindustrie genutzt werden.