Wiesbaden. Hessens Digitalministerin Kristina Sinemus setzt sich für das europäische Projekt eines Satelliteninternets ein. „Souverän ist, wer Internetsatelliten besitzt. Wir dürfen das Feld daher nicht US-amerikanischen Unternehmen oder dem chinesischen Staat überlassen“, forderte Sinemus am Mittwoch beim zweiten Digital Leaders Roundtable in Brüssel. „Hessen ist weltweit anerkannter Standort für Satellitenkommunikation und kann hier einen wertvollen Beitrag leisten.“
Die EU-Kommission hat angekündigt, ihren Vorschlag für ein drittes europäisches Satellitennetzwerk (zusätzlich zu Galileo und Copernicus) in Kürze vorzustellen. Das Projekt hat eine geopolitische Dimension und soll die digitale Souveränität der EU weiter erhöhen. Die hessische Digitalministerin hat dies zum Anlass genommen, mit digitalen Expertinnen und Experten das Projekt zu diskutieren.
„Eine eigene Satelliten-Kommunikationsstruktur ist zwingend notwendig“, sagte Sinemus. „Wir können damit entlegene Landstriche flächendeckend mit schnellem Internet versorgen. Wir können stabiles Internet auch in Krisensituationen wie der Flutkatastrophe im Ahrtal gewährleisten. Wir ermöglichen Innovationen wie das autonome Fahren und digitale Landwirtschaft. Und wir kontrollieren das Durchsetzen europäischer Werte und europäischen Datenschutzes.“
Hessen ist bedeutender europäischer Raumfahrtstandort
Europaministerin Lucia Puttrich betonte die Bedeutung des Standortes Hessen im Bereich der europäischen Raumfahrt: „Hessen ist ein bedeutender europäischer Raumfahrtstandort. Mit dem Europäischen Raumflugkontrollzentrum, der Europäischen Weltraumorganisation ESA, der Europäischen Organisation für die Nutzung meteorologischer Satelliten sowie mit dem Centrum für Satellitennavigation Hessen haben wir wichtige Institutionen in unserem Land. Längst ist die Raumfahrt aber keine Domäne von staatlichen Akteuren mehr. Start-ups und neue Unternehmen drängen insbesondere im Bereich der Satellitentechnik in den Markt. Umso wichtiger ist es, dass die EU die notwendigen Rahmenbedingungen setzt, um auch der Privatwirtschaft optimale Wachstums- und Entfaltungsbedingungen zu gewährleisten.“
Iris Plöger, Mitglied der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbandes der Deutschen Industrie e.V. (BDI): „Internet aus dem All ist für die Wirtschaft von zentraler Bedeutung. Konnektivität und Satellitendaten sind die nächsten wichtigen Schritte in der Digitalisierung, mit hoher Relevanz für die außen- und sicherheitspolitische Handlungsfähigkeit und für den Umwelt- und Klimaschutz. Im internationalen Wettstreit muss Deutschland einen eigenen Gestaltungsanspruch geltend machen, der BDI setzt dafür mit seiner NewSpace-Initiative einen wichtigen Impuls.“
Dr. Daniel Voelsen, Forschungsgruppenleiter „Globale Fragen“ Stiftung Wissenschaft und Politik: „Werden die Pläne für LEO-Satellitenkonstellationen (LEO = Low Earth Orbit) realisiert, wird die globale Internet-Infrastruktur um eine gänzlich neue Dimension ergänzt, mit weitreichenden Folgen für den Zugang zum Internet, für die Sicherheit und die Resilienz der Internet-Infrastruktur und nicht zuletzt für die Machtbeziehungen in der globalen Internet-Governance. Für die Staaten, aus denen die führenden Unternehmen kommen – allen voran die USA, gefolgt von China –, würden sich umfassende Möglichkeiten der politischen Einflussnahme ergeben. Für Europa ist daher der Aufbau einer eigenen Konstellation sowohl unter politischen wie wirtschaftlichen Gesichtspunkten erstrebenswert.“
Sven Sünberg, Geschäftsführer Media Broadcast Satellite GmbH: „Eine europäische LEO-Konstellation darf keine Nachahmung bereits bestehender oder im Aufbau befindlicher Konstellationen sein! Es muss aus unseren EU-Ansprüchen an unter anderem Nachhaltigkeit, Technologie und Datenschutz gedacht sein. Ja, das wird nicht einfach – ,per aspera ad astra' passt hier sehr gut als Leitgedanke! Ich wünsche mir, bevor wir losschreiten, ein Bild dessen, was Europa mit einer eigenen LEO-Konstellation erreichen will. Dann haben wir ein verbindendes Element und damit Verständnis dessen, wohin wir erreichen wollen. Das sollte uns auch helfen nicht unbedingt sinnvolle oder notwendige Abenteuer auszulassen.“